Kultur konvergiert
Konvergenz ist kein neues Buzzword. Aber mit dem neuen Buch von Henry Jenkins erhält es eine neue Wendung. Verstand man bisher darunter das Zusammenfallen verschiedener Technologien und Medien, so erweitert Jenkins den Begriff auf die Ebene der Inhalte und der Kultur. Wenn kulturelle Inhalte konvergieren, bedeutet das, dass sie von einem Medium ins andere übertreten; dass sie zwischen verschiedenen Formaten wechseln; dass die Rollen von Konsumenten und Produzenten sich vermischen.
Jenkins knüpft in seinem Buch an seine Studien zu Computerspielen, Fans und Bloggern an, und führt sie an einigen, allerdings typisch amerikanischen Beispielen, in einem allgemeineren Rahmen aus.
Affektive Ökonomie, transmediale Erzählweisen, Kultur der Beteiligung und kollektive Intelligenz lauten seine Stichworte. Den Großteil seiner Beispiele findet er im Feld des Bildlichen, weshalb seine Studie auch als Erkundung in eine entstehenden visuellen Kultur gelesen werden kann.
Wenn eine Figur oder eine Geschichte von einem Medium zum nächsten wechselt, wenn sie in Spielen, im Fernsehen, in Blogs und Bücher auftaucht und womöglich aus der Fiktion ins Leben übertritt, spricht Jenkins von Konvergenz. Seine Beispiele reichen zurück bis zur Serie TwinPeaks, die schon Anfang der Neunziger in Online-Communities auf breite Resonanz stieß. Frühere Vorfälle dieser Art lassen sich ohne weiteres finden. Man denke etwa an die Hysterien und Mode-Trends, die Goethes Werther auslöste.
Aber heute ist die Konvergenz der Inhalte nicht nachrangig, sondern von vorn herein kalkuliert. Informationen und Fiktionen treffen auf eine Gemeinschaft von Fans, die ihre eigenen Netzwerke pflegen und darin ein spezialisiertes kollektives Wissen hervorbringen. Von klassischen Betrachtern entwickeln sie sich zu Beteiligten. Jenkins nennt als Beispiel die Harry Potter-Romane, zu denen von allen möglichen Hobby-Autoren erfundene Episoden, Fortsetzungen und Erweiterungen kursieren. Die Romanform löst sich auf in die Struktur eines Programms, das laufend aktualisiert, modifiziert, geflickt und weiter gesponnen wird.
Geschichten erzählen ist nicht länger die Tätigkeit des einsamen Autors, sondern ein kollektives Ereignis, das alle denkbaren Medien miteinandeer verknüpft. Jenkins spricht von „Transmedia Storytelling“, aber nur um gleich den nächsten Schritt zu gehen.
Es ist nämlich nicht allein die einzelne Geschichte, die zählt, sondern die Welt, die damit aufgebaut wird. Denn erst eine fiktionale Welt schafft den Rahmen, in dem die kollaborative Intelligenz der beteiligten Konsumenten sich entfalten kann. Auch wenn Texte und Musik dabei nicht verschwinden, sind es doch ganz wesentlich Bilder, die diese Bewegung tragen.
Die ehemals nur als Zuschauer Beteiligten nehmen unterschiedliche Rollen ein. Jenkins unterscheidet Zapper, Loyals und Casuals. Zapper springen zwischen verschiedenen Inhalten und engagieren sich mal hier, mal dort. Loyals lassen sich ganz von dem Inhalt einnehmen, für den sie sich einmal entschieden haben. Casuals entscheiden sich von Fall zu Fall. Nicht unwichtig sind solche Typisierung für Werbestrategien, denn sie bringen eine „affektive Ökonomie“ mit sich, die neue Wege zum Konsumenten fordert.
Neue Modelle von Beteiligung und kollektivem Wissen werden die Politik nicht unberührt lassen. Jenkins beklagt in einem beinahe persönlichen Plädoyer die einseitige Fixierung der liberalen Medienkritik. Weit wichtiger als die Rolle der Medien immer wieder anzugreifen sei es, sich der neuen Möglichkeiten produktiv zu bemächtigen und die Prototypen der digitalen Popkultur auf politische Verhältnisse zu übertragen. Seine Untersuchung wirft ein Licht darauf, wie eine künftige kollektive und von visuelle