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Maschinen sehen

Zu einem Vortrag von Maurizio Lazzarato

Lazzarato spricht von einem doppelten Register im Hinblick auf die Bilder: dem des Subjekts und dem der Maschine. Subjekte gebrauchen Sprache und erzeugen Bedeutung. Maschinen, womit er gleichermaßen technische Geräte wie den Computer und symbolische Medien wie Geld meint, operieren dagegen a-signifikant. Sie bedeuten selbst nichts, können aber beliebig dazu eingesetzt werden, Zeichen und Bedeutungen zu produzieren. Das entspricht dem technischen Begriff der Information, die Bedeutungen möglich macht, ohne selbst eine bestimmte Bedeutung zu besitzen. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: die technischen Geräte eines Fernsehsenders, vom Studio über die Antennen oder Satelliten bis zum Fernsehgerät, stellen eine Infrastruktur dar. Sie hat selbst keine bestimmte Bedeutung, macht die Vermittlung bedeutungsvoller Zeichen aber möglich.

Lazzarato geht noch einen Schritt weiter, indem er behauptet, dass die medialen Bilder auch auf der Ebene der Zeichen nicht Bedeutungen im Sinn der Sprache vermitteln, sondern Gesten, Affekte und Intensitäten. Ihr semiotischer Impuls wirkt nicht über Signifikanten, sondern ikonisch und körperlich. Er geht der Sprache und der Wahrnehmung von Bedeutungen voraus.
Damit gerät das Individuum gegenüber den Maschinen in eine semiotische Falle. Es verortet sich in dem a-signifikanten Strom der Zeichen. Dort wirken Konsum und Technologie zusammen. Beim Geld und beim Fernsehen regiert dasselbe Prinzip - die Indifferenz gegenüber der Bedeutung, die aber Bedeutung produziert.
Indem das Fernsehen die Emotionen synchronisiert, regt es die Ökonomie des Begehrens an. Die Macht der a-signifikativen Semiotik dehnt sich jenseits der Maschine aus. Sie wirkt nicht sprachlich, aber funktional, affektiv und unmittelbar. Am deutlichsten zeigt sich der Umschlag der Bilder in Bedürfnisse an der Werbung.
Lazzarato unterscheidet eine Mikro- und eine Makro-Ebene. Auf der Mikro-Ebene der alltäglichen Programme regiert die affektive Produktion der Zeichen. Sie produziert und kontrolliert Individuen und Subjekte. Aus der Makro-Perspektive zeigt sie sich als eine Technik der Repräsentation. Hier schließen sich die multiplen Bedeutungen zu einer Funktion der Macht zusammen. Politik umfasst in diesem Sinn auch die Verwaltung der Zeichen, mit denen die mediale Realität konstruiert wird. Die Konstruktion von Individualität, wie sie auf der Mikro-Ebene stattfindet, schlägt auf der Makro-Ebene in Gouvernmentalität und Kontrolle um.

Der analytischen Philosophie, als deren Vertreter er auch Hannah Arendt, Judith Butler oder Jacques Rancière sieht, wirft Lazzarato vor, die Möglichkeiten der asignifikanten Semiotik zu unterschätzen. Sie betrachten den öffentlichen Raum der Medien als ein Theater, dabei hat er sich durch die Maschinen und ihre Bilder längst in eine Industrie verwandelt.

Die Thesen Lazzaratos wollen mehr sein als eine passive Beschreibung unserer medialen Situation. Er verbindet mit seinem Ansatz Forderungen nach einem strategischen Gebrauch der Maschinen und ihrer Bilder, nach der Vielheit möglicher Semiotiken und einer Politik des Ausdrucks und des Experiments an Stelle der reinen Repräsentation.

Maurizio Lazzarato lehrt in Paris Soziologie und Philosophie.
Auf deutsch erschien u.a Videophilosophie, Berlin 2002.