Ein Bild ist ein Bild ist ein... Zeichen?
Seit einiger Zeit schon unternehmen immer mehr Kunstwissenschaftler abenteuerliche Ausflüge in Nachbardisziplinen. „Sie haben“, schreibt Göricke, „genug vom Herumhocken im Olymp“ und beschäftigen sich, anstatt mit Rosa Perioden, Schwarzen Quadraten oder anderen sanktionierten Kunstwerken, auch mit Artefakten der Wissenschaft, Technik und Kultur. Angefangen hätten diese „Auflösungserscheinungen“ mit Forschern wie Hans Holländer, Svetlana Alpers oder Horst Bredekamp, Werner Busch und Barbara Stafford. Mit ihren Arbeiten hätten sie das Fach endgültig von Hegels Anbindung der Kunst an die Ästhetik losgelöst. Die Kunst selbst hat diese Loslösung de facto ja schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts vollzogen. Während die Grenzerweiterung von manchen beklagt, von einigen begrüßt wird, diskutiert man derzeit darüber, welches Fach wohl die „Deutungshoheit über diese Fluten“ innehaben sollte. Angesichts der fest gefahrenen Situation plädiert Jutta Göricke für eine neue Theorie: „Etwas Neues wird gebraucht, das dem Bild an sich auf den Grund geht“ und dabei Fragen beantwortet wie: „Welche Rolle spielen Bilder bei der Konstituierung der Welt? Sind Bilder näher am Ding als an Sprache? Sind sie der Wirklichkeit ähnlich? Wie wirkungsmächtig sind Bilder? Wie unterscheidet sich Denken in Sprache vom Denken in Bildern?“. Für Göricke sollte es darum gehen, „die Struktur zu erkennen, die jederzeit und überall in allen Bildern wirksam ist, und die allgemeinen Gesetze abzuleiten, auf welche man spezielle Erscheinungen zurückführen kann“. Entwürfe zu einer umfassenden Bildtheorie gibt es bereits, einer davon stammt von Klaus Sachs-Hombach. Die Frage ist nur, inwieweit eine solche Metatheorie, die sich auf alle bildlichen Phänomene anwenden lässt, tatsächlich noch einen Erkenntnisgewinn für das konkrete Einzelobjekt birgt.
Eine Perspektive für die Kunstgeschichte sieht Göricke in der Semiotik. Kunsthistoriker sollten erst die Sprache dekonstruieren. „Dann könnten sie im Zuge der Dekonstruktion selbstbewusst den Anteil aufdecken, den das Bild an der Konstituierung der abendländischen Kultur hat“. Sie wirft Boehm und Bredekamp vor, selbst keinen Bildbegriff „in petto“ zu haben „jenseits der Frage, ob Bilder als Zeichen zu gelten haben oder nicht. War es aber nicht Gottfried Boehm, der als einer der ersten überhaupt mit dem Begriff der „ikonischen Differenz“ den „Mehrwert“ des Bildes gegenüber der Sprache zu fassen suchte und es deutlich von dieser abgrenzte? Und hat nicht Horst Bredekamp dargelegt, dass das wissenschaftliche Bild von Anfang an auch ästhetischen Kriterien unterworfen war?
„Vielleicht“, resümiert Göricke, „stellt sich am Ende heraus, dass Bild und Sprache stärker aufeinander angewiesen sind, als mancher wahrhaben will.“ ger
Der Artikel in der SZ ist pünktlich zum Auftakt des XXVIII. Deutschen Kunsthistorikertags in Bonn erschienen (16.-20.3.). Das Thema lautet dieses Jahr "Zeitgenossenschaft als Herausforderung. Der Status der Kunstgeschichte heute".
Leider steht der Artikel von Jutta Göricke nicht online. Also - auf zum Kiosk! ger