Image-Online
Der Herausgeber Klaus Sachs-Hombach stellt in seinem Beitrag drei Thesen auf: (T1) The contribution of philosophy to image science is, above all, of a conceptually cartographing nature.Er weicht damit der simplen Was ist ...?- Frage aus und sucht eine philosophische Basis darin, Randbedingungen abzustecken.
(T2) An interdisciplinary constructed, general image science mainly consists of a theory frame.Die These entspringt dem gleichen Impuls wie die erste: sie fordert des Gerüst einer Bildtheorie, aber eben nur als Rahmen, um dann verschiedene Wissenschaften zuzulassen.
(T3) Pictures are perception-based media.Damit kommt die Was-ist-Frage doch auf den Tisch, aber in einer Form, die den beiden ersten Vorgaben gerecht zu werden versucht. Der These, dass Bilder Medien sind, würde allerdings die Annahme widersprechen, dass es Medien gibt, die Bilder transportieren. (Eine Menge, die sich selbst enthält)
(T4) The semantics of pictures is regulated according to type, medium and function of the image.Vier verschiedene Arten der Bedeutung werden unterschieden – Inhalt, Referenz, symbolische und kommunikative Bedeutung. Der Ansatz von Sachs-Hombach hat unzweifelhaft das Verdienst, eine methodische Basis zu suchen, die den verschiedensten Disziplinen gerecht wird. Er selbst sieht darin, in einer weiteren, typisch philosophischen Wendung zum Allgemeinen, nichts weniger als ein Modell der Interdisziplinarität, für das die Bildwissenschaften paradigmatisches Beispiel werden könnten.
Nur kursorisch noch zu den übrigen Aufsätzen, die mehr oder weniger eng um die Frage kreisen, wie die einzelnen Disziplinen der Bilder sich zu einer künftigen Bildwissenschaft verhalten.
Der Informatiker Peter Schreiber wagt die amüsante These, dass Informatik eine der ältesten Bildwissenschaft sei – um am Schluss doch eine brüderliche Einheit aller beteiligten Disziplinen zuzugestehen.
Jörg R.J. Schirra untersucht das Verhältnis der Teildisziplinen der Bildwissenschaft. Dazu entwirft er ein Bild, das wie ein Mandalas um einen Kern von Kunstgeschichte, Philosophie und Computervisualistik die übrigen Bildwissenschaften platziert – wobei in der Seitenansicht die Königsdisziplin Philosophie bezeichnenderweise oben, die Computerwissenschaft aber unten zu liegen kommt.
Einer historischen Entwicklung der Bildmedien folgt Kirsten Wagner, indem sie eine Reihe verschiedener Techniken darstellt, die dazu führten Unsichtbares sichtbar zu machen, und also Bilder herstellen, wo zuvor keine Bilder waren.
Dieter Münch versucht den Bildwissenschaften aus einer Perspektive der Zeichentheorie näher zu kommen, wobei er deren klassischen Verfahren verfällt, verschiedene Typen von Zeichen zu unterscheiden. Einer der interessanteren Aspekte seines Ansatz zeigt sich in der Idee, dabei von den Produzenten der Bilder auszugehen. Andreas Schelske nimmt sich eine Frage vor, die in einer einfacheren Formulierung an Klarheit sicher gewonnen hätte: "Welche zehn funktionalen Leitideen prägen die multimedial vermittelte Bildkommunikation in der informationellen Netzwerkgesellschaft grundlegend?" Dass er die Bilder zu den Leitideen hauptsächlich in Computerspielen gefunden hat, verleiht seinen Ausführung Aktualität. Heribert Rücker schließlich schlägt vor, im Begriff der Abbildung die technische und die semantische Denkrichtung zusammenzuführen.
Man kann mit Erleichterung vermerken, dass die Zeitschrift nach dieser ersten Ausgabe nicht erneut dem Magdeburger Laster der ausschweifenden Reflexion verfällt, sondern sich tatsächlich in die Niederungen der angewandten Bildwissenschaften begibt.
Die zweite virtuelle Nummer (Besprechung folgt) lässt den ebenso strengen wie begrenzten Diskurs der Philosophie hinter sich, um mit dem Thema „Die schräge Kamera“ bei wirklichen Bildern anzukommen. Damit unternimmt Image-Online den unerlässlichen Schritt, die Disziplin der Bilder nicht nur abstrakt zu definieren, sondern tatächlich zu praktizieren. Das Vorhaben kann wegweisend für die weitere Entwicklung der Bildwissenschaften werden.
Stefan Heidenreich