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Bildregime des Rechts

Die Wahrheit der Bilder ist eine Frage, die mit der Digitalisierung eine neue Wendung nahm. Seit das Sichtbare im Kern aus Zahlen besteht, will man ihm nicht mehr so recht glauben.

aber diese Frage wird in dem Band über Bildregime des Rechts nur gestreift. Denn sie ist nur eines der vielen Probleme, die sich im Verhältnis von Bildern und Recht stellen.

In ihrem Vorwort sieht die Herausgeberin Cornelia Vissman zwei grundsätzlich verschiedene Beziehung zwischen Bild und Recht am Werk: Bildregime des Rechts sind doppelt beziehbar. Sie meinen Rechtsregeln, die ein Bild normieren, und Bildregeln, denen das Recht unterliegt. Im einen Fall prägt das Recht das Regime des Bildes, im anderen Fall ist das Recht Objekt der Regime des Bildes.

Vielleicht hätte man das Verhältnis etwas weniger antagonistisch, etwas dialektischer auffassen können. Aber Gegenüberstellungen haben ihren Reiz, zumal für Juristen. Tatsächlich versucht das Buch, die beiden Aspekte in einem Band zu vereinigen. Die Frage, welche Rolle Bilder in der Rechtsprechung spielen. Und die ganz andere Frage, welche Rechte es an Bildern gibt.

Warum bemächtigt sich das Recht der Bilder, fragt Vissmann an andere Stelle, und gibt zur Antwort: Bilder sind mehrdeutig und sie schüren Affekte. Beides ist für das Recht zwar nicht prinzipiell unerträglich, doch fordert es das Recht zu einer Reaktion heraus.

Von den 13 Aufsätzen, die Aktionen und Reaktion zwischen Bildern und Recht in dem Band untersuchen, sei nur einer herausgegriffen. Christine Karallus stellt in ihrem Beitrag dar, wie Bilder um 1900 vor Gericht bewertet wurden. Neben der Aussage eines Zeugens galt - und gilt bis heute - der Augenschein als eines der wichtigsten Beweismittel. Dabei wird der Tatort selbst zum Speichermedium, das die Spuren der Tat bewahrt. Gerichtlich galt dieses Beweismittel aber nur, wenn ein Richter den Tatort besuchte und ein genormtes, wiederum schriftliches Protokoll anfertigten ließ. Dieser Text ist nichts anderes als eine Bildbeschreibung, die die Spuren einer Tat wiedergibt.

An die Stelle des Protokolls konnte um 1900 das photographische Abbild treten, zuerst als eine Ergänzung, dann beinahe als eigenständiges Beweismittel und Ersatz. 1903 fragte der Königliche Kriminalinspektor Otto Klett rhetorisch: 'Kann dem Gedächtnisse besser zu Hilfe gekommen werden, als durch Inaugenscheinnahme und Betrachtung der Fotografie?'

Karallus schließt mit den Worten: Die überaus nützliche Wahrheit des fotografischen Dispositivs lag also in der Objektivierung materieller Wirkungen oder der Beglaubigung von Objektivität in dauerhaften materiellen Spuren.

Obwohl das in der Addition zweier Fälle schon fast juristendeutsch wirkt, kann von dort aus weiter fragen. Was ändert sich hier mit den digitalen Bildern? Gibt es tatsächlich ein digitales Dispositiv, das vom fotografischen abweicht? Das schwächer ist, da digitale Bilder leichter manipuliert werden können? Oder hängt der Status des Bildes hier gar nicht an der Materialität, sondern am Verhältnis von Augenschein und Tatort?

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Cornelia Vismann, Thomas Weitin, Jean Baptiste Joly (Hrsg.):

Bildregime des Rechts

Reihe reflexiv, Merz & solitude, Stuttgart 2008

14,90€

S. Heidenreich