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Bild-Ereignisse unter Verschluss

Hier 700, dort 2000 Fotos, die nicht veröffentlicht werden. Wir wissen nur, dass es die Bilder gibt. Und wir kennen die Orte, an denen sie entstanden. Hier Berlusconis Villa auf Sardinien. Dort einige US-Militärgefängnisse, wie das berüchtigte Abu Ghraib in Bagdad. Aber es gibt die Bilder nicht zu sehen, sondern nur Beschreibungen der Szenerien, die kaum unterschiedlicher sein könnten.

Die Aufnahmen zeigen unter anderem leicht bekleidete junge Frauen bei der letzten Neujahrsparty Berlusconis in der Villa Certosa. Eingriff in die Privatsphäre klagt der Anwalt des Präsidenten. Nichts von Belang, jedenfalls nicht aus seiner Kamera, entgegnet der Fotograf Antonello Zappadu. Die Polizei konfiszierte seine Bilder.

Im anderen Fall sind es amerikanische Altlasten, die nach vier Jahren wieder ans Licht der Öffentlichkeit kommen, weil Präsident Obama sie zeigen wollte. Diesmal handelt es sich nicht um Szenen der Erniedrigung und psychischer Folter, wie bei der ersten Auskopplung aus den Gefängnis-Alben der Weltmacht. Nein, es sollen regelrechte Vergewaltigungen dabei sein, in Bild und Film. Generalmajor Antonio Tabuga, der die Untersuchung in Abu-Ghraib damals geleitet hat, schilderte die Bilder bereits 2004 in seinem abschließenden Bericht. Mindestens ein Bild zeigt einen amerikanischen Soldaten offenbar dabei, wie er eine weibliche Gefangene vergewaltigt. Ein anderes, so heißt es, zeigt wie ein männlicher Übersetzer einen männlichen Gefangen vergewaltigt, weiß die Presse. Auf Anraten der Armeeführung wurde bislang von der Veröffentlichung abgesehen. Die ohnehin schwierige Situation der Amerikaner in Afghanistan und Pakistan hätten sie mit Sicherheit nicht eben leichter gemacht.

Was sehen wir mehr auf den Bildern, als wir uns von den Beschreibungen her ohnehin vorstellen können? Wo liegt der Unterschied zwischen dem Text und dem Bild? Es macht kaum Schwierigkeiten, sich Berlusconi unter einer Horde pubertierender Mädchen vorzustellen. Genauso wenig einige amerikanische GIs oder irakische Wärter, die sie sich über Gefangene hermachen. Es sind Filmszenen, denen man Gesichter aufprägt. Der Unterschied liegt anderswo. Die Bilder beseitigen jeden Zweifel. Und zwar nicht, weil sie wahr wären. Sondern weil sie die Vorstellungen aller in ein gemeinsames Muster zwingen. Einmal gesehen, glaubt man sich von nun an Teil einer gemeinsamen Vorstellung, die alle Betrachter teilen. Von da ab werden die Bilder zu einer Schablone, die sich der Wirklichkeit aufprägen. Sind die Bilder einmal gezeigt, werden Berlusconi oder der amerikanische Soldaten zu dem Akteur ihrer Bilder. Solange nur die Beschreibung nur auf die Möglichkeit der Ereignisse darlegt, kommt dieser Effekt nicht zustande. Sobald die Bilder einmal da sind, schieben sie sich der Wirklichkeit quasi unter.

“The mere description of these pictures is horrendous enough, take my word for it.” sagt der Generalmajor Taguba wohl zurecht. Aber die Bilder sagen nicht mehr als die Worte. Sie greifen in die Welt ein, aus der die Worte heraus gesprochen werden.

PolitikS. Heidenreich